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Das Kabarett ist nicht tot
1976, Text/Musik: Georg Kreisler
(von der LP "Rette sich wer kann", 1976)
Man hört jetzt so viel vom Tod des Kabaretts,
man schwelgt in Nostalgie daran zum Jubel des Parketts.
Das Fernsehen hat's kaputt gemacht,
sagt einer, das ist klar,
nein, nein, zu verwöhnt sind die Leute,
sagt ein anderer, das ist die Gefahr.
Doch ich sag Ihnen im Vertrauen,
auf meine Worte können Sie bauen:
Das ist alles nicht wahr, das ist alles nicht wahr!
Das Kabarett ist nicht tot, es bleibt am Leben,
es hat noch nie so viel Kabarett gegeben,
und weit entfernt von Liquidierung
kriegt's für jede Inszenierung
von der dankbaren Regierung Subvention.
Ich bin doch auch Kabarettist, Sie selber sehn es,
ich kabarettiere gegen dieses oder jenes,
denn erst im Kabarett bemerkt es jedes Kind,
wie demokratisch unsere Volksvertreter sind.
Ich bin stets gegen die Kirche, das ist heut beinah schon Pflicht,
gegen den Kapitalismus, weil das glaubt man mir ja nicht,
Baader-Meinhof tu ich gar nicht kommentieren,
denn wer weiß, für die könnt jemand applaudieren.
Ich bin gegen die Amerikaner, aber nicht mit zu viel Wut,
weil seit Vietnam vorbei ist, gibt's da Zweifel.
Ich bin gegen jede Gewalt,
nur die Staatsgewalt ist gut,
denn auch ich hab eine Villa in der Eifel.
Kurz und gut, ich habe ganz genau bedacht,
daß nicht tot sein kann, was Propaganda macht.
Das Kabarett ist nicht tot, auch nicht im Osten,
Kabarettist ist heut ein ziemlich sicherer Posten,
man ist nicht rechts, man ist nicht links, man ist modern,
man ist Vermittler
wie schon bei Hitler,
man kann auch sagen, ein Kabarettist, das ist ein Mann,
auf den ein Demokrat nie böse werden kann.
Ich war als Kabarettist
zuerst ein Idealist
und strebte nach den allerhöchsten Zielen,
doch die Zeitungen schrieben kein Wort
und das Publikum blieb fort,
weil niemand wußte, wo und wann wir spielen.
Was macht man ohne Geld?
Erst schimpft man auf die Welt,
doch die Welt schießt auch auf Spatzen mit Kanonen.
Und dann sagt man etwas schlapp:
Nun, ich brech den Kampf nicht ab,
ich mach nur ein paar kleine Konzessionen.
Anfangs macht man Konzessionen,
um zu essen und zu wohnen,
später macht man Konzessionen
an Personen, die sich lohnen,
bis man eines Tages einzusehen beginnt,
daß die meisten Konzessionen keine mehr sind.
Denn man teilt die Meinung derer,
die es leichter haben statt schwerer,
und das Publikum will lachen,
und man kauft sich schöne Sachen,
und auf einmal und auf einmal kommt dann so ein Idiot,
der behauptet, unser Kabarett sei tot.
Das Kabarett ist weder tot noch in Gefahr!
Das ist alles nicht wahr, das ist alles nicht wahr, das ist alles nicht wahr!
Das Kabarett ist nicht tot, solang der Staat lebt,
das Kabarett ist nicht tot, solang ein Soldat lebt.
Ich lasse mich samt meinen Witzen
von Soldaten mit Haubitzen
vor euch Weltverbesserern schützen mit Gewalt.
Das Kabarett weicht nicht zurück vor Terroristen.
Ich fordere Freiheit für loyale Kabarettisten,
hier ist man geistreich,
das ist nichts für'n kleinen Mann,
der sich die Eintrittspreise gar nicht leisten kann.
Ich bin nie gegen Israel,
weil das ist jetzt nicht modern.
Ich bin für Pornographie,
weil das hören die Leute gern.
Was die Abtreibung betrifft, die macht mir Kummer.
Die taugt bestenfalls für eine ernste Nummer.
Ich bin stets für die Frauen, für die Emanzipation,
aber immer mit Humor, nie gejammert.
Über die Bild-Zeitung wir hier gelacht,
da kenn ich kein Pardon,
und der Bundespräsident wird ausgeklammert.
Und das Publikum geht hochbeglückt nach Haus,
alle loben mich, sogar Franz Josef Strauß.
Das Kabarett wird noch lange funktionieren
und auch im Fernsehen muß man's kaum noch zensurieren,
denn der moderne Kabarettist hat eins erfaßt:
Bleibe sympathisch, dann bist Du demokratisch.
Das Kabarett ist alles andere als tot.
Auch ich bleib mutiger Kabarettist und Patriot.