Alben & Lieder
Die Touristin
1983, Text/Musik: Georg Kreisler
Ich gehe gern auf Reisen in aller Herren Ländern,
will niemand was beweisen, will nirgends etwas ändern,
ich treffe nette Menschen, das ist das A und O,
und fragt man woher kommst du, dann sage ich von wo.
Dann stocken die Gespräche, als ob etwas zerbräche.
Ich lächle bloß verlegen und fühle eine Kluft.
Nach zehn Sekunden Pause bin ich nicht mehr zu Hause.
Ich weiß zwar nicht weswegen, doch es liegt was in der Luft.
Ich fühl mich aufgesessen in einem Sarg,
geh trotzig Bockwurst essen und zahl in Mark.
Warum bin ich Berlinerin! Oh Gott, wie ich das hasse!
Wär ich 'ne Florentinerin, das wäre große Klasse.
Wär ich aus Uruguay, Paraguay, Liechtenstein,
ich könnt die glücklichste aller Berliner sein.
Die Leute sagen überall, daß ich französisch ausseh.
Ein Kompliment auf jeden Fall! Wie gern ich's hör!
Doch muß ich sagen: Non chérie, look at me, I am from Germany.
Ja, Deutsche sein, das fällt mir schwer.
Ich lernte einen kennen im Sommer in Ägypten.
Wir fingen an zu brennen, mein Gott, wie wir uns liebten!
Und eines schönen Abends, wir waren mitten drin,
fragt er, woher ich komme, und ich sag, aus Berlin.
Das war wie eine Bombe in einer Katakombe.
Er war mal Gastarbeiter in Düsseldorf am Rhein.
Dort machte man ihn fertig, hielt ihn für minderwertig.
Ihm fuhr der Name Deutschland wie ein Schock durch Mark und Bein.
Ich seh für Liebessachen im Ausland schwarz.
Und willst du Freunde machen, fahr in den Harz!
Warum bin ich aus Tempelhof? Wie hat sich das ergeben?
Mit diesem deutschen Stempel loof ich durch mein ganzes Leben.
Wir Deutsche suchten mal, sehr brutal, Lebensraum.
Daß wir jetzt kleiner sind, im Ausland merkt man's kaum.
Gesamtdeutsche Minister gibt's, gesamtdeutsche Justiz gibt's,
gesamtdeutsche Geschwister gibt's, den deutsch-deutschen Riß.
Drum wo ich mich auch einquartier, so sagt man mir: Sie können nichts dafür,
Wir mögen Sie auch, wir haben bloß Schiß.