Alben & Lieder
enthalten auf
Es wird mir heiß
1968, Text/Musik: Georg Kreisler
Komm zu mir auf eine heiße Viertelstunde!
Bleib bei mir aus diesem oder jenem Grunde!
Eine Viertelstunde, und wer weiß:
Wird dir nicht schon jetzt ein bisschen heiß?
O ja!
Es wird mir heiß, wenn ich bedenke,
wie man traurig werden kann als Humorist.
Es wird mir heiß, wenn ich mich kränke,
dass die Jugend ihre Jugend schnell vergisst.
Es wird mir heiß, wenn ich bemerke,
dass die Alten heute älter sind als je.
Ja, ich kann ganz ruhig sitzen
und mich dabei sehr erhitzen,
wenn ich mir so mancherlei beseh,
und muß mir schließlich sagen:
Niemand kann durchs Leben rennen,
ohne lichterloh zu brennen,
denn ich glaub, die Kälte tut zu weh.
Es wird mir heiß, wenn ich mich frage,
wie ein Feldherr einen Friedensplan entwarf.
Es wird mir heiß, wenn ich mich plage
und nicht weiß, ob ich mich morgen plagen darf.
Es wird mir heiß und immer heißer,
so wie weiland dem zum Brunnen gehnden Krug.
Neue alte Kameraden,
negerlose Olympiaden,
Staatsbürger mit Duldermienen
(weil sie bisschen mehr verdienen),
die zwar der Regierung grollen,
doch dageg’ nichts tun wollen,
sind das nicht schon Beispiele genug?
Denn was demokratisch ist,
bestimmt das Parlament.
Das ist doch selbstverständlich!
Und: was nie sympathisch ist,
was ist das? Ein Student.
Na gut, jetzt wiss mer’s endlich.
Und woran erkennt man den Student?
An seinem Bart, denn er ist ungewaschen.
Und woran erkennt man’s Parlament?
Natürlich auch an seinem Bart, das ist doch klar.
Ein Parlament ist so, wie es schon immer war.
Drum wird mir heiß. Ich frag mich ratlos:
Ist der Klassenkampf denn wirklich schon vorbei?
Es wird mir heiß, denn ist er nahtlos,
dieser Sprung vom ersten April zum ersten Mai?
Es wird mir heiß. Ich komm in Hitze,
weil ich schwitze, aber niemand davon weiß.
Denn was hab’n wir immer wieder?
Tafelrunden, Schlummerlieder,
Schwarzweißrote, Grüne, Braune,
„Wähle, staune, schlechte Laune“,
Burschenschaften, Schicksalsfrage,
Vaterländer, Muttertage,
ist es da ein Wunder: Mir wird heiß,
sehr heiß, zu heiß.
Ja, die Jugend, die ist auch nicht mehr so,
wie sie einmal war.
Damals war das wunderbar.
Und das Alter, das wird auch nicht mehr froh,
das ist sonnenklar.
Wie wahr, wie wahr.
Die Musik ist ein Geleier,
und die Liebe wird nur freier,
keine Firma heißt mehr Meier, Schmidt und Co,
und die Zeitungen sind auch nicht mehr so,
und das Wetter, das ist auch nicht mehr so.
Die Erotik, die ist auch nicht mehr so
zart und wundervoll.
Wie Erotik sein soll.
Und die Mode, die ist auch nicht mehr so.
Jeder Zoll war toll!
Jawoll, jawoll!
Was die Leute sich vertrauen,
und die Häuser, die sie bauen,
und der Gummi, den sie kauen,
undankbar!
Der Gehorsam, der ist auch nicht mehr so,
und die Kriege, die sind auch nicht mehr so,
und der Hitler, der ist auch nicht mehr so,
wie er einmal war.
Drum wird’s mir heiß, wenn ich mich frage:
Wer regiert uns jetzt, und zum wievielten Mal?
Es wird mir heiß, wenn ich mir sage,
ich sollte jetzt schon wählen, vor der nächsten Wahl.
Es wird mir heiß, wenn im Gesetz steht:
Jedes Baby muß einmal zum Militär.
Subordinationsverbote,
alte Sieger, junge Tote,
Henker und Gefängniswärter,
Landgraf wäre hart und härter,
Hauptsache, die Kohlen stimmen,
immer mit dem Strome schwimmen,
ändert sich denn überhaupt nichts mehr?
Es wird mir heiß, denn es will scheinen,
alte Nazis fallen nie aus ihren Rolln.
Es wird mir heiß, wenn Leute meinen,
dass sie eigentlich die Freiheit gar nicht wolln.
Es wird mir heiß wie in der Sauna,
denn mein Gewissen macht mir schrecklichen Verdruß.
Also warum aufbegehren?
Lieber alte Lehren ehren,
nur nicht von der Wahrheit sprechen,
Köpfe machen, Kopf zerbrechen,
Gutes ist das schon Dagewes’ne,
Schlecht ist das zuviel Geles’ne,
immer nur so weiter bis zum Schluß!
Denn wer protestieren geht,
der ist ein Kommunist.
Die machen viel Beschwerden.
Und wer für die Freiheit ist,
der ist Kapitalist.
Aus dir kann noch was werden.
Und woran erkennt man den Kapitalist?
An seinem Geld.
Das sagt doch schon der Name.
Und woran erkennt man dann den Kommunist?
Natürlich auch an seinem Geld, das liegt ja nah.
Wenn der kein Geld hätt, wär er längst schon nicht mehr da.
Drum wird mir heiß, wenn ich betrachte,
wie das Geld das Geld ums liebe Geld bekämpft.
Es wird mir heiß, wenn ich beachte,
wie kein Mutterherz die Heimatliebe dämpft.
Es wird mir heiß, wenn ich draus folg’re,
dass kein Vaterherz dagegen etwas weiß.
Bückling machen, Häuschen kaufen,
sehen, wie die Hasen laufen,
Stammgast bleiben, Zug verpassen,
Politik den andern lassen,
Alte Schule, Damenspende,
Feierabend, Lebensende,
ist es da ein Wunder: Mir wird heiß,
sehr heiß, zu heiß...