Alben & Lieder
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Noch einmal von vorn
1976, Text/Musik: Georg Kreisler
Gibt’s auch Musik, oder gibt es nur Konzerte.
Gibt’s auch Erfolg, oder gibt es nur Applaus.
Gibt’s nur Vernunft, oder gibt’s auch das Verkehrte.
Wer wohnt denn nebenan im nächsten Haus.
Die Welt ist rauh und voller Dissonanzen,
die man genießen könnte, wär’ man nicht gedrillt.
Doch teilt man ein in schlecht und gut
und hält die Zeit für absolut
und lernt schön willig sein, anstatt gewillt.
Man glaubt, was falsche ist, sei nicht wahr
und lebt ein Oberlehrerjahr
und schafft sich Gott nach seinem Ebenbild.
Und wenn’s dann immer nur Konzerte gibt, anstatt Musik,
dann ist man eigentlich ganz froh.
Und mit der Zeit kriegt man sogar
ein bißchen Angst
und denkt, bevor du was verlangst.
Es geht auch so!
Menschenskind, Florian,
was hat dir deine Frau getan?
Nick nicht nur, hab’ kein Zorn,
noch einmal von vorn!
Menschenskind, Henriett’,
wozu hast du den Mann im Bett?
Lüg nicht so, stoß’ ins Horn,
noch einmal von vorn!
Kommt eine Kuh ums nächste Eck geflogen,
denkt man: nanu, wieso ist die so frei?
Man fühlt sich eingeschüchtert und betrogen
und ruft auf jeden Fall die Polizei.
Die heilige Kuh, die darf bei uns nicht fliegen!
Die muß mit allen Beinen fest im Grase steh’n.
Denn was nur fliegt, hat kein Gewicht,
egal, ob’s schön ist oder nicht.
Man muß Punkt sieben Uhr zur Arbeit geh’n.
Man hat vom Leben nichts gehabt,
nur seine Rechnungen berappt,
was soll ein Schmetterling und Orchideen.
Und wenn es manchmal ein Konzert gibt, anstatt Musik,
dann zeigt das immerhin Niveau.
Man fühlt sich doch auf kurze Zeit konziliant
und etwas menschlicher verbannt.
Es geht auch so!
Menschenskind, Eberhard,
wozu hast du das Geld gespart?
Noch ein Bier, noch ein Korn,
noch einmal von vorn!
Menschenskind, Willibald,
dir ist doch nicht nur außen kalt!
Auch dein Hirn ist eingefror’n,
noch einmal von vorn!
Doch eines Tags läßt man die Kühe fliegen!
Das liegt an uns und nicht am Karajan.
Und man entdeckt das Leben als Vergnügen,
anstatt als Sorgenkind aus Porzellan.
Dann schafft man Schule, Eigentum und Staat ab
und lebt von Sinnlichkeit und Solidarität.
Dann ist es schnuppe, ob ich glänz’,
ich hab’ ja keine Konkurrenz.
Ich bin mein eigener Gott, mein eigener Prophet.
Was als Gesetz galt, nun zerbricht’s.
Der Mensch ist Leidenschaft, sonst nichts,
weil die vergänglich ist, doch nie vergeht.
Dann gibt’s Musik, anstatt Konzerte,
denn dann ist Mißerfolg kein großes Risiko.
Wer unterwegs ist, wird vorm Weitergeh’n geküßt,
der Mensch darf werden, wer er ist.
Es geht auch so!
Menschenskind, Benedikt,
hat man dich wieder fortgeschickt?
Köpfchen hoch, nichts verlor’n ,
noch einmal von vorn!
Menschenskind, Dagobert,
bist du schon wieder eingesperrt?
Doch du bist frei gebor’n,
noch einmal von vorn!
Menschenskind, Ernestin’,
bist du noch immer Kellnerin?
Keine Rose ohne Dorn,
noch einmal von vorn!