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Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist
1979, Text/Musik: Georg Kreisler
Die Menschen sind als Publikum das allerbeste Publikum.
Sie lassen sich amüsieren, sie lassen sich imponieren,
sie strahlen und bezahlen und sind schnell mit dem Applaus
und wenn die Show aus ist, gehen sie freiwillig nach Haus.
Die Menschen sind als Publikum famos.
Nur eine Sorge werd ich nicht mehr los:
Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?
Man sagt nichts, damit man lächeln kann.
Die Tränen, die man weint, sind nie die richtigen.
Man warte lieber, bis sie sich verflüchtigen,
möglichst schnell, möglichst bald.
Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?
Guten Tag, Sie sehen fantastisch aus!
Man bietet Ihnen Kaviar und Hummer an,
doch niemand bietet irgendeinen Kummer an.
Nach und nach sagt man nichts.
Man steht in seiner Dunkelheit
und hütet sich vor jedem Wort
und läßt die Welt sich drehen,
steht und läßt die anderen stehen.
Denn niemand soll bemerken, daß man traurig ist.
Es genügt, daß man es selbst bemerkt.
Ein Trauriger ist selten ein Sympathischer.
Ein Lustiger ist immer demokratischer.
Wer's begreift, wird nicht traurig sein.
Doch wenn du trotzdem traurig bist, dann schluck es schnell hinunter!
Du könntest Dich auch irren. Warum die Leute verwirren?
Sei augenblicklich glücklich! Das kann jeder, der es will.
Und wenn Du es partout nicht kannst, dann trink ein paar Promille.
Mit mir freuen sich die Menschen jederzeit,
nur eines bringt mich in Verlegenheit:
Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?
Man sagt nichts, weil es gefährlich wär.
Egal, ob einer nachts in seine Kissen weint,
offiziell bleibt man froh.
Ein guter Mensch muß glücklich sein.
Wer Trauer fühlt, ist selber schuld.
Das ist des Pudels Kern.
Schmerz ist einfach unmodern.
Man sagt zu keinem Menschen, daß man traurig ist.
Denn wozu, er weiß es ohnehin.
Man schweigt nicht nur, weil Traurigsein so schaurig ist,
man schweigt auch, weil man weiß, daßjeder traurig ist.
Und der Trost resigniert im Raum.
Und der Traum bleibt nur ein Traum.